veröffentlicht am 13. März 2019 in der Kategorie Ernährung für Kinder

Jedes Elternteil wünscht sich ein Baby, welches sich problemlos füttern lässt. Die Nahrungsaufnahme ist gerade in der Anfangszeit und auch später ein ganz wesentlicher Bestandteil der Eltern-Kind-Beziehung. Umso größer ist die emotionale Belastung der Eltern, wenn ihr Kind die Nahrung über längere Zeit verweigert. In der kinderärztlichen Praxis gewinnt man den Eindruck, dass die Häufigkeit von Fütterstörungen zunimmt.

Wie häufig sind Fütterstörungen?
Bis zu 25% aller gesunden Säuglinge und Kleinkinder entwickeln eine mehr oder weniger ausgeprägte Fütterstörung; meist immer dann, wenn die Nahrung umgestellt wird, so z.B. vom Stillen oder der Säuglingsmilch auf eine zunehmend festere Kost oder beim Übergang zur Familienkost.

In den allermeisten Fällen sind Fütterstörungen harmlos und vorübergehend, da sich die meisten Kinder mit der Zeit an neue Lebensmittel gewöhnen. Bei einigen Kindern ist mehr Geduld gefragt, als bei anderen.

3-4% aller Kinder entwickeln eine Gedeihstörung
3-10% der Kinder entwickeln jedoch eine mittelschwere bis schwere Fütterstörung, die für betroffene Familien sehr belastend sein kann.

Bei 3-4% aller Kinder beeinflusst die Fütterstörung die gesunde Entwicklung der betroffenen Kinder. Sie entwickeln eine Gedeihstörung, die durch Gewichtsverlust oder Gewichtsstillstand und Wachstumsverzögerungen charakterisiert ist.

Wann spricht man von einer Fütterstörung?
Die folgenden Anzeichen sind mögliche Signale für das Vorliegen einer Fütterstörung:

  • Das Füttern oder die Mahlzeiten dauern länger als 30-45 Minuten über mind. 1 Monat hinweg
  • Die Kinder werden häufiger als alle 2 Stunden gefüttert
  • Das Kind isst und trinkt sehr langsam und hat kaum Appetit
  • Das Kind ist sehr wählerisch oder mag nur bestimmte Konsistenzen
  • Das Kind isst nur in untypischen Positionen, z.B. im Liegen
  • Das Kind zeigt eine deutliche Abwehr gegen die Nahrung
  • Das Kind kann nur während bestimmter Aktivitäten essen (z.B. beim Spielen oder im Halbschlaf)

Verliert das Kind an Gewicht oder nimmt nicht ausreichend an Gewicht zu, hat Durchfall oder Erbrechen oder isst nur sehr einseitig, sollte immer der Kinderarzt aufgesucht werden, damit so früh wie möglich interveniert werden kann.

Häufig findet sich zusätzlich eine Eltern-Kind-Interaktionsstörung bei betroffenen Familien, denn Eltern sind den negativen Affektäußerungen ihrer Kinder permanent ausgesetzt und zeigen oft starke psychologische Reaktionen auf die problematischen Verhaltensweisen des Kindes.

Das Fütterverhalten wird von verschiedenen Faktoren geprägt
Das Fütterverhalten von Kindern wird von vielen Faktoren bestimmt. So spielen sensorische Empfindlichkeiten, frühe Erfahrungen mit dem Füttern/Essen, das kindliche Temperament und vor allem die individuellen somatischen Faktoren eine Rolle.

Folgende somatische Faktoren beeinflussen u.a. das Fütterverhalten von Kindern:

  • Früh-/Mangelgeburt
  • Störungen im Gastrointestinaltrakt
  • Neurologische Beeinträchtigungen
  • Herzfehler
  • Nieren-/Leberfunktionsstörungen
  • Genetische Faktoren
  • Sonstige Erkrankungen/Behinderungen

Fütterstörungen treten häufig auch posttraumatisch auf, z.B. nach traumatisch empfundenen Situationen, wie Intubieren, Absaugen oder Sondierungen. Sie kommen auch als Folge einer elterlich erzwungenen Nahrungsaufnahme vor. Es handelt sich in der Regel um eine frühkindliche Regulationsstörung als Folge komplexer Wechselwirkungen zwischen elterlichen und kindlichen Faktoren.

Kindliche und elterliche Belastungen schaukeln sich auf
Elterliche Belastungen, wie vorliegende Angststörungen, Depressionen, Trennungs- und Verlusterfahrungen, aber auch posttraumatische Symptome nach Frühgeburt oder Essstörungen der Mutter treffen auf ein schwieriges Verhalten des Kindes. Auf der „Bühne“ der Füttersituation können sich die Probleme von Eltern und Kind aufschaukeln und weiter verstärken. Leicht entwickelt sich ein Teufelskreis: Die Eltern fühlen sich als Versager und vom Kind abgelehnt, sie geraten unter Druck. Das Kind reagiert verstärkt mit Abwehr.

Wie wird eine Fütterstörung diagnostiziert?
Zunächst erfolgt eine Basisdiagnostik, die eine Orientierung über den somatischen Zustand des Kindes ermöglicht. Diese sollte jedoch so wenig invasiv wie möglich erfolgen. Hauptsächlich wird sich an der konkreten Fütter- und Esssituation orientiert, die von Experten beobachtet und beurteilt wird und aus der sich die weiteren Schritte ableiten lassen.

Wie wird eine Fütterstörung therapiert?
Hier gibt es viele unterschiedliche Ansätze von Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie bis hin zur Familientherapie. Idealerweise sollte immer ein Team aus verschiedenen Disziplinen an der Therapie beteiligt sein.

Selbstverständlich müssen somatische Grund- oder Begleiterkrankungen bei der Therapie stets mitberücksichtigt werden.

Folgende Maßnahmen sind in der Regel erfolgsversprechend:

  • Strukturierung der Nahrungsaufnahme, mit Nahrungspausen zum Aufbau von Hungergefühlen (auch keine gesüßten Getränke)
  • Klare Regelung der Zuständigkeit von Eltern und Kind, die Eltern bieten an und das Kind entscheidet, ob und wie viel es essen mag
  • Klare Trennung von Ess-/Fütter- und Spielphasen
  • Erkennen kindlicher Signale von Hunger und Durst sowie selbstregulierte kindlicher Nahrungsaufnahme
  • Nahrungsmittel nicht als Belohnung einsetzen
  • Abbau von dysfunktionaler elterlicher und kindlicher Verhaltensweisen: keine Ablenkung, kein Druck oder Zwang; Pausen einhalten, wenn das Kind Ablehnung zeigt
  • Abbruch der Füttersituation bei Provokation oder Desinteresse
  • Gemeinsame Esssituation in entspannter Atmosphäre

Bei posttraumatischer Fütterstörung oder sensorischer Überempfindlichkeit sollte immer ein Experte die Therapie mitbegleiten.

Auf eine enge Begleitung der Eltern ist zu achten.

Eine frühzeitige Intervention der Fütterstörung ist wünschenswert, um das Risiko von Beziehungs- und Entwicklungsstörungen zu minimieren und einer Gedeihstörung vorzubeugen.

Informationen zu Gedeihstörung finden sich hier.

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