Stillen ist ein Lernprozess von Mutter und Kind. Deshalb ist es gerade in den ersten Lebenstagen besonders wichtig, dass junge Mütter gut informiert und beraten werden, damit keine Schwierigkeiten auftreten und das Stillen nicht abgebrochen wird.

Das Netzwerk Junge Familie1 empfiehlt, dass Müttern unmittelbar nach der Geburt Hautkontakt mit ihrem Baby ermöglicht werden sollte. Denn früher Hautkontakt von Mutter und Kind reduziert das Schreien und fördert die Mutter-Kind-Interaktion sowie das Stillen. Das erste Anlegen an der Brust sollte, wenn möglich, innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Geburt erfolgen.

Ernährung nach der Geburt: Die ersten sieben Tage

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) gibt in ihren Empfehlungen zur Ernährung gesunder Säuglinge folgende Hinweise zur Ernährung in den ersten sieben Tagen nach der Geburt2:

  • Informationen über das Stillen sollten bereits in der Schwangerschaft erfolgen.
  • Unmittelbar nach der Geburt sollte Müttern der Hautkontakt mit dem Säugling ermöglicht werden. Ein erstes Anlegen sollte innerhalb der ersten zwei Stunden erfolgen (bei Hypoglykämie-gefährdeten Neugeborenen innerhalb der ersten 30 Lebensminuten). Dies gilt auch für Kaiserschnittentbindungen, sofern diese nicht in Vollnarkose durchgeführt wurden.
  • Beim ersten Anlegen wird das Kind auf die Brust der Mutter gelegt und das spontane Finden der Brust und das erste Saugen abgewartet.
  • Das weitere Stillen sollte nach Bedarf erfolgen, wenn das Kind Zeichen von Hunger zeigt, wie Unruhe, Strampeln, Such- und Schmatzbewegungen oder Saugen an Finger oder Betttuch. Schreien ist ein eher spätes Hungersignal.
  • In den ersten Lebenstagen sollten Neugeborene möglichst einmal am Tag unter vergleichbaren Bedingungen gewogen werden. Wenn die Gewichtsabnahme mehr als sieben bis zehn Prozent des Geburtsgewichtes beträgt oder innerhalb der ersten sieben Lebenstage keine Gewichtszunahme erfolgt oder bis zum Alter von 14 Tagen das Geburtsgewicht nicht wieder erreicht wird, sollte eine Untersuchung und Abklärung der Ursachen erfolgen.

Wenn Ursachen wie eine ungenügende Milchproduktion, Milchaufnahme oder fehlerhaftes Saugverhalten nicht behoben werden können und keine Krankheit vorliegt, ist nach Empfehlung der DGKJ entweder die Gabe abgepumpter Milch der eigenen Mutter oder das Zufüttern von Muttermilchersatzprodukten erforderlich.

Stillen und Zufüttern

Reifgeborene, normalgewichtige Säuglinge benötigen keine routinemäßige Zufütterung von Flüssigkeiten. Laut DGKJ-Empfehlung sollte eine Zufütterung zum Stillen nur bei Vorliegen medizinischer Indikationen erfolgen2. Beispiele dafür sind:

  • bestehende oder drohende Austrocknung
  • nachgewiesene oder drohende Hypoglykämie (Blutglucosekonzentration < 45 mg/dl bzw. 2.5 mmol/l; Kinder diabetischer Mütter, Geburtsgewicht unter der dritten oder über der 97. Perzentile)
  • Risikokinder mit unzureichenden Energiereserven (zum Beispiel Frühgeborene, Hypotrophie, diabetische Fetopathie, Hypoxie, Atemnot, Sepsis)
  • mangelndes Gedeihen
  • sehr unruhige Kinder.

Bei Trinkschwäche des Kindes, etwa bei Frühgeborenen oder phototherapiebedürftiger Hyperbilirubinämie, ist es sinnvoll, abgepumpte Muttermilch nachzufüttern, da eine Hyperbilirubinämie durch Flüssigkeits- und Energiemangel verstärkt werden kann3. Bei einer behandlungsbedürftigen Hyperbilirubinämie kann die zusätzliche enterale Zufuhr eiweißhaltiger Nahrungen – aber nicht von Glucoselösung, Wasser oder Tee – über das Stillen hinaus helfen, den enterohepatischen Kreislauf des Bilirubins zu durchbrechen und damit die enterale Eliminierung von Bilirubin zu beschleunigen4.

Der Effekt des Zufütterns von Säuglingsnahrungen, Tee und Glukoselösung in den ersten Lebenstagen wurde in Studien unterschiedlich bewertet. Während in einer Feldstudie mit 1593 Säuglingen aus 177 nach dem Zufallsprinzip ausgesuchten geburtshilflichen Kliniken ein signifikant negativer Einfluss auf die Dauer der Stillperiode nachgewiesen wurde5, fanden andere Autoren keine Evidenz für Nachteile einer Zufütterung zum Stillen in den ersten Lebenstagen auf die Dauer des Stillens bzw. des späteren ausschließlichen Stillens6.

  1. Koletzko, B., Bauer, C., Brönstrup, A., Cremer, M., Flothkötter, M., Hellmers, C., Kersting, M., Krawinkel, M., Przyrembel, H., Schäfer, T., Vetter, K., Wahn, U., Weißenborn, A. Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden Mutter. Aktualisierte Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie, ein Projekt von IN FORM. Monatsschr Kinderheilkd 2013;161:237–46
  2. DGKJ Empfehlungen zur Ernährung gesunder Säuglinge 2014
  3. Münchner Stillempfehlungen (http://www.muenchen.de/; 2014)
  4. S2-Leitlinie Neonatologie: Hyperbilirubinämie des Neugeborenen (http://www.gnpi.de/; 2010)
  5. Dulon, M., Kersting, M., Schach, S. Duration of breastfeeding and associated factors in Western and Eastern Germany. Acta Paediatr 2001;90:931-5
  6. Schubiger, G., Schwarz, U., Tönz, O. UNICEF/WHO baby-friendly hospital initiative: does the use of bottles and pacifiers in the neonatal nursery prevent successful breastfeeding? Neonatal Study Group. Eur J Pediatr 1997;156:874-7

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