Stillen allein deckt den hohen Nährstoffbedarf Frühgeborener nicht. Ein Nährstoff-Supplement mit Eiweiss, Kohlenhydraten, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen, das die Muttermilch anreichert, ist deshalb notwendig, um sie bei einer optimalen Entwicklung und einem adäquaten Wachstum zu unterstützen.    

Die Frühgeborenenernährung hat entscheidende Bedeutung bei der frühkindlichen Prägung. Eine inadäquate Ernährung kann schwere gesundheitliche Auswirkungen haben. Ein zu geringes Kopfumfangswachstum oder eine gestörte Hirnentwicklung sind nur zwei mögliche Konsequenzen,1 die sich auch langfristig auf die Entwicklung des Kindes auswirken können.

Als Hauptziel in der Ernährung Frühgeborener definiert die europäische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) ein Wachstum analog zur fetalen Entwicklung, gekoppelt mit einer zufriedenstellenden funktionellen Entwicklung.

Damit Frühgeborene solch ein Wachstum erreichen, ist eine speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Ernährung essentiell, denn zwischen Früh- und Reifgeborenen gibt es eine Reihe ernährungsphysiologischer Unterschiede:

  • Frühgeborene haben höhere Wachstumsraten und niedrigere Körperreserven als Reifgeborene und dadurch einen höheren Bedarf an Makro- und Mikronährstoffen.
  • Sie haben ein nicht vollständig ausgebildetes Verdauungssystem.
  • Sie können häufig noch nicht saugen und brauchen daher anfangs oft eine enterale Ernährung per Sonde.
  • Die Nährstoffe der Nahrung müssen wegen verringerter Enzymaktivität in leicht absorbierbarer Form vorliegen.

Die meisten Daten zur Frühgeborenenernährung liegen für Frühgeborene mit stabilen Wachstumsraten bis zu einem Gewicht von etwa 1.800 g vor. Die Ernährungssituation besonders kleiner Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von unter 1.000 g verlangt zudem eine besondere Beachtung, um ein optimales Wachstum dieser Kinder gewährleisten zu können.2

Eiweisszufuhr: Essentiell für optimales Wachstum des Frühgeborenen

Insbesondere die Eiweisszufuhr hat eine hohe Bedeutung für das Wachstum und die Gesundheit des Frühgeborenen. Für ein optimales Wachstum und eine entsprechende Stickstoffretention muss daher die korrekte Menge und Qualität an Eiweiss zugeführt werden.

Je niedriger das Körpergewicht des Frühgeborenen, desto höher ist sein Eiweissbedarf.3 Deshalb empfehlen die aktuellen Richtlinien der ESPGHAN eine Eiweisszufuhr in Abhängigkeit vom Körpergewicht2:

  • Körpergewicht 1.000 bis 1.800 g: 3,5 bis 4 g/kg Körpergewicht pro Tag, bzw. 3,2 bis 3,6 g/100 kcal
  • Körpergewicht unter 1.000 g: 4,0 bis 4,5 g/kg Körpergewicht pro Tag, bzw. 3,6 bis 4,1 g/100 kcal.

Diese Werte berücksichtigen auch den Ausgleich akkumulierter Eiweissdefizite, die bei fast allen Frühgeborenen beobachtet werden und je nach Gewicht des Kindes unterschiedlich gross sein können. 

Muttermilch allein kann bei Frühgeborenen den Nährstoffbedarf nicht decken

Die ESPGHAN2 unterstützt die Verwendung von Muttermilch zur Frühgeborenenernährung, vorausgesetzt, sie wurde entsprechend des Bedarfs mit Nährstoffen supplementiert. Auch Schwankungen in ihrer Zusammensetzung (z. B. innerhalb des Tages und der gesamten Laktationsdauer sowie durch Pasteurisierung und Lagerung) sollten dabei berücksichtigt werden. Als Alternative zur Muttermilch empfiehlt die ESPGHAN spezielle Frühgeborenennahrungen.

Denn Muttermilch allein kann den hohen Nährstoffbedarf eines Frühgeborenen nicht decken.4 Studien haben gezeigt, dass Frühgeborene, die ausschliesslich mit nicht-supplementierter Muttermilch ernährt werden, langsamer wachsen und eine geringere Stickstoffretention zeigen als solche, die eine spezielle Frühgeborenennahrung erhalten.5,6,7 Serumalbumin und Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN)-Spiegel können aufgrund der inadäquaten Eiweisszufuhr sinken. Darüber hinaus wurden bei Frühgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht, die mit nicht-supplementierter Muttermilch ernährt wurden, häufig Anomalien im Knochen- und im Mineralstoffwechsel festgestellt.8

Daher sollte die Basis-Supplementierung von Muttermilch mit einem Muttermilch-Supplement aus Eiweiss, Kohlenhydraten, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen erfolgen (s. Abb. 1).

Um den hohen Bedarf besonders kleiner Frühgeborener (Körpergewicht < 1.000 g) zu decken, sollte zudem ein reines Eiweiss-Supplement zur Basis-Supplementierung hinzugefügt und individuell an die Bedürfnisse des Kindes angepasst werden. Es erlaubt eine variable Einstellung der Eiweisszufuhr innerhalb der von der ESPGHAN empfohlenen Spanne von 3,6 bis 4,1 g Eiweiss pro 100 kcal (s. Abb. 1).

Zusätzliches Eiweiss in bereits supplementierter Muttermilch führt bei sehr unreifen Frühgeborenen zu einer signifikant höheren Eiweissaufnahme und einer signifikant stärkeren Zunahme des Gewichts und des Kopfumfangs9,10. Ohne eine zusätzliche Eiweiss-Supplementierung ist diese hohe Eiweisszufuhr nicht möglich.2,11,12

Beitrag von Aptamil FMS zum Nährstoffgehalt der Muttermilch Abbildung 1: Eiweisszufuhr für sehr kleine Frühgeborene mit Muttermilch alleine und in Kombination mit Frauenmilchsupplement (FMS) sowie FMS plus Eiweisssupplement. Die von der ESPGHAN empfohlene Eiweisszufuhr für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 g von 3,6 bis 4,1 g/100 kcal wird mit der dritten Kombination erreicht.

Studienergebnisse zeigen: Frühgeborene profitieren von Eiweiss-Supplementierung

In einer retrospektiven Studie mit 43 Frühgeborenen13, Geburtsgewicht <1.500 g, wurde überprüft, ob durch eine zusätzliche Anreicherung der Muttermilch mit einem reinen Eiweiss-Supplement (zusätzlich zum Muttermilch-Supplement) im Vergleich mit einer Kohorte aus dem Jahr 200014 das Wachstum signifikant verbessert werden kann. Die Ernährung erfolgte nach den internen Standards der Klinik für Neonatologie der Charité. Ab dem siebten Lebenstag wurde Muttermilch mit 4,5 % Muttermilch-Supplement und dem Eiweiss-Supplement angereichert. Folgende Zielparameter wurden am siebten Lebenstag angestrebt: 110-135 kcal/kg/d und 4,5 g/kg/d Eiweiss. Das Eiweiss-Supplement wurde mit einer Dosierung von 0,4-1,8 % der aktuellen Nahrungsmenge (entspricht 0,5-1,5 g/kg/d Eiweiss) verwendet. Die Dosis wurde soweit gesteigert, bis die oben genannten Empfehlungen für die enterale Eiweisszufuhr bei dem Frühgeborenen erreicht wurde.

Die Kinder dieser Studie hatten ein mittleres Gestationsalter von 27+6 Wochen und ein mittleres Geburtsgewicht von 984 g. Eine parenterale Ernährung wurde im Mittel über 16 Tage durchgeführt und erreichte durchschnittlich 4,3 g Eiweiss/kg KG/d.

Das Wachstum der Kinder erreichte bis zum 35. Tag der Untersuchung annähernd intrauterines Niveau mit einer Zunahme des Körpergewichts um 17,6 g/kg/Tag, des Kopfumfangs um 0,7 cm/Woche und der Länge um 1,0 cm/Woche. Die Gesamteiweissaufnahme stellte dabei eine signifikante Einflussgrösse auf das Gewichtswachstum der Kinder dar. Im direkten Vergleich dieser Frühgeborenen15 mit der Kohorte aus dem Jahr 200014 zeigte sich eine signifikant verbesserte Zunahme von Gewicht und Kopfumfang (s. Abb. 2).

am-fruechen-verbesserte-zunahme-gewicht-kopfumfang-fruehgeborenen-1440x810-c-default Abbbildung 2: Verbesserte Zunahme von Gewicht und Kopfumfang bei Frühgeborenen <1.500g Geburtsgewicht (n=45) über einen Zeitraum von 35 Tagen (Kohorte von 2010) im Vergleich mit der Kohorte von 2000 (n=43); Längenzunahme nicht signifikant[15].

  1. Cheong, J., Hunt, R., Anderson, P., Howard, K., Thompson, D., Wang, H., Bear, M., Inder, T., Doyle, L. Head growth in preterm infants: correlation with magnetic resonance imaging and neurodevelopmental outcome. Pediatrics 2008;121:e1534-40
  2. Agostoni, C., Buonocore, G., Carnielli, V., De Curtis, M., Darmaun, D., Decsi, T., Domellöf, M., Embleton, N., Fusch, C., Genzel-Boroviczeny, O., Goulet, O., Kalhan, S., Kolacek, S., Koletzko, B., et, a., ESPGHAN, C. o. Enteral nutrient supply for preterm infants: commentary from the European Society of Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2010;50:85-91
  3. Tsang R, Uauy R, Koletzko B, Zlotkin S. In: Nutrition of the Preterm Infant. Scientific Basis and Practical Guidelines. Digital Educational Publishing 2005 Cincinnati, OH
  4. Schanler, R. The use of human milk for premature infants. Pediatr Clin North Am2001;48:207-19
  5. Roberts, S., Lucas, A. Energetic efficiency and nutrient accretion in preterm infants fed extremes of dietary intake. Hum Nutr Clin Nutr 1987;41:105-13
  6. Cooper, P., Rothberg, A., Pettifor, J., Bolton, K., Devenhuis, S. Growth and biochemical response of premature infants fed pooled preterm milk or special formula. J Pediatr Gastroenterol Nutr 1984;3:749-54
  7. Atkinson, S., Radde, I., Anderson, G. Macromineral balances in premature infants fed their own mothers› milk or formula. J Pediatr 1983;102:99-106
  8. Kuschel, C., Harding, J. Multicomponent fortified human milk for promoting growth in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 2004;CD000343
  9. Arslanoglu, S., Moro, G., Ziegler, E. Adjustable fortification of human milk fed to preterm infants: does it make a difference?. J Perinatology 2006;26:614-21
  10. Carlson, S., Johnson, K., Cress, G., Connolly, N., Ziegler, E. Higher protein intake improves growth of VLBW infants fed fortifed breast milk. Pediatr Res 1999;45:278A
  11. Corvaglia, L., Aceti, A., Paoletti, V., Mariani, E., Patrono, D., Ancora, G., Capretti, M., Faldella, G. Standard fortification of preterm human milk fails to meet recommended protein intake: Bedside evaluation by Near-Infrared-Reflectance-Analysis. Early Hum Dev2010;86:237-40
  12. Arslanoglu, S., Moro, G., Ziegler, E. Preterm infants fed fortified human milk receive less protein than they need. J Perinatol 2009;29:489-92
  13. Loui A, Bührer C. Growth of very low birth weight infants after increased amino acid and protein administration. J Perinat Med 2013;41:735-41
  14. Loui A, Tsalikaki E, Maier K, Walch E, Kamarianakis Y, Obladen M. Growth in high risk infants <1500 g birthweight during the first 5 weeks. Early Hum Dev 2008;84:645-50
  15. oui A. Proteinzufuhr bei sehr kleinen Frühgeborenen. Milupa-Symposium im Rahmen der 37. Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) 2011

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